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Marc Widmer neuer Duathlon Direktor: Eine Geschichte kreieren

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Eine langjährige Karriere im Hochleistungssport verdichtet sich im Rückblick oft auf einen einzigen Moment: Der grösste Triumph überstrahlt alles. Bei Marc Widmer ist die Sache etwas komplizierter und gleichzeitig faszinierender. Der 38-Jährige ist in diesem Herbst aus der Schweizer Duathlon-Nationalmannschaft zurückgetreten. Sein grösster Erfolg war kein einzelner Sieg, wie er selbst sagt, kein bestimmter Podestrang, kein gewonnenes Duell – sondern seine aussergewöhnliche Konstanz.

 

Widmer gehörte 15 Jahre lang zur Weltspitze im Duathlon, einem Sport, der oft im Schatten des Triathlons steht, obwohl er als fordernder gilt und in der Schweiz eine besondere Tradition hat. 15 Mal nahm der in Wädenswil aufgewachsene Duathlet an den Langdistanz-Weltmeisterschaften teil, die jedes Jahr in Zofingen ausgetragen werden. Auf einen coupierten Lauf über 10 Kilometer folgen 150 wellige Radkilometer, gefolgt von einem noch anspruchsvolleren zweiten Lauf über 30 Kilometer. Widmer erreichte acht Top-Ten-Plätze und schaffte es elf Mal in die Top 12. Nie beendete Widmer das Rennen vorzeitig. Das ist eine Bilanz, die auf Jahre hinaus schwer zu übertreffen sein dürfte.

 

Seine beste WM-Platzierung war der fünfte Rang 2008. Manchmal braucht ein Sportler keinen grossen Sieg, um für jüngere Athleten und für Amateure zum Vorbild zu werden. Der Respekt vor dem in Horgen wohnhaften Duathlet wuchs in der Duathlon-Szene von Jahr zu Jahr, obwohl sein Traum von einer Medaille immer unerfüllt blieb. Mal erkrankte er zur Unzeit an Pfeifferschem Drüsenfieber, mal manövrierte er sich in ein schädliches Übertraining, mal brach er sich bei einem Trainingsunfall die Hand. Jedem dieser Rückschläge stellte er sich beharrlich und optimistisch, um Anfang September bei der längsten und härtesten Duathlon-Prüfung der Welt in ausreichender Form an den Start zu gehen. Der 38-Jährige sagt von sich selbst, dass er physisch nicht das grösste Talent besass – aber er schlug begabtere Duathleten dank seinem langjährigen, konstanten Training und seiner mentalen Stärke.

 

Widmer studierte in St. Gallen Law & Economics, wurde 2012 juristischer Mitarbeiter bei der Rechtsanwaltskanzlei Roesle Frick & Partner und stieg dort 2017 zum Partner auf. Trainiert wurde an den Randzeiten des Tages. Jahrelang verzichtete der Rechtsanwalt auf gewöhnliche Urlaube, um seine Trainingslager absolvieren zu können, teilweise in unbezahlten Auszeiten. Das Leben war auf die Duathlon-WM ausgerichtet, auf einen einzigen Tag im Jahr; Zofingen war Widmers grosse Passion.

 

Jetzt wechselt der 38-Jährige die Seiten. Er übernimmt in einem Teilzeitpensum den Posten des Duathlon Directors bei Swiss Triathlon. Widmer folgt auf den Übergangsdirektor Oliver Imfeld. «Er ist unser Wunschkandidat», sagt Stefan Ruf, Vizepräsident und Duathlon-Vorstand des Verbandes. «Kaum jemand kennt den Sport so gut wie er und ich bin sicher, dass er in seiner neuen Aufgabe ebenso ehrgeizig und professionell agieren wird wie in seinen 15 Jahren als Spitzenduathlet.»

 

Der ehemalige Profi soll einen Sport weiterentwickeln, der bei nüchterner Betrachtung sein Potenzial seit Jahren bei weitem nicht ausschöpft. Im Gegensatz zur Schwesterdisziplin Triathlon wurde der Duathlon 2000 nicht ins Programm der Olympischen Spiele aufgenommen. Die Triathlon-Marke «Ironman» ist ungleich bekannter als die Duathlon-Marke «Powerman». Und was aus Schweizer Sicht besonders bedenklich stimmt: Die Teilnehmer- und Zuschauerzahlen in Zofingen waren in den 1990ern höher als heute.

 

Widmer ist überzeugt, dass gemeinsam mit professionellen Partnern die Trendwende zu schaffen ist. «Grundsätzlich ist das Potenzial in der Schweiz enorm, schliesslich gehören Laufen und Radfahren zu den beliebtesten Sportarten», sagt er. Eines seiner Ziele laute, um die Powerman-Marke herum einen Mythos aufzubauen. Vorbild sei die Tortour: Das Ultra-Velorennen sei heute enorm beliebt, obwohl es vorher in der Schweiz nie bekannte Radwettkämpfe über Extremdistanzen gegeben habe. «Dank geschicktem Marketing wurde Aufmerksamkeit für einen Sport geschaffen, der vorher praktisch nicht existierte», sagt Widmer. «Das zeigt, was möglich ist. Auch um den Begriff Powerman herum kann man eine Geschichte kreieren.»

 

Mittelfristig soll die Schweizer Duathlon-Serie neu lanciert werden, die aus Rennen über kürzere Distanzen in ländlichen Regionen besteht. Angedacht ist beispielsweise eine Veranstaltung in der Metropole Zürich. Darüber hinaus möchte Widmer zusammen mit dem Chef Leistungssport Sami Götz daran arbeiten, den besten Duathleten des Landes möglichst gute Trainingsbedingungen zu bieten. Bei den Frauen stellt die Schweiz mit Petra Eggenschwiler die amtierende Weltmeisterin, bei den Männern liegt der letzte Titel acht Jahre zurück. Widmer traut mehreren jungen Athleten zu, den Sprung an die Spitze zu schaffen. Er weiss aus eigener Erfahrung, dass ambitionierte Sportler am meisten unter der vergleichsweise geringen Popularität ihrer Disziplin leiden. Als Duathlon Director will Widmer seinen Teil dazu beitragen, die Athleten und ihre Leistungen ins Rampenlicht zu rücken. (Text: Sebastian Bräuer)


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