Im Gespräch mit Alfi Caprez
„Ich bin froh, kann das Wettkampffieber zwischendurch ruhen“
Der Winter steht vor der Tür, und doch will bei den meisten TriathletInnen so gar keine Pausenstimmung aufkommen. Wir fragen beim langjährigen und erfolgreichen Triathleten Alfi Caprez nach, wie er die wettkampffreien Monate überbrückt, und lassen sein sportliches Jahr 2016 Revue passieren.

„Die Gesundheit und die Freude am Wettkampf zählen für mich auch zum Erfolg.“
Während die TriathletInnen in wärmeren Gefilden noch Gelegenheit zur Aufbesserung ihrer Jahresbilanz haben, wurde in der Schweiz mit dem Saisonabschluss in Murten bereits Mitte September die Winterpause eingeläutet. Zumindest was die Wettkämpfe betrifft. Denn Triathletin und Triathlet; dieses Attribut tragen die AthletInnen auch während des Winters und fernab des kompetitiven Kräftemessens. Spätestens beim ersten Frühjahrswettkampf machen sich die absolvierten Trainingseinheiten bezahlt und die ausgelassenen schmerzlich bemerkbar. Nebst der Planung des Wintertrainings bietet das Saisonende auch Anlass, den Blick gleichermassen zurück und nach vorne zu richten, sich an die Höhepunkte zu erinnern und Ziele für das anstehende Wettkampfjahr anzuvisieren.
Alfi Caprez begibt sich nicht zum ersten Mal in die Winterpause, kann er doch auf 30 Jahre Erfahrung im Triathlon zurückblicken. Im Gespräch mit Swiss Triathlon bringt er seine Faszination für die Sportart zum Ausdruck und erklärt, wie er sein Wintertraining zwar simpel, aber offensichtlich äusserst effektiv plant. Mit je drei Schweizer- und Europameistertiteln in der Alterskategorie 60-64 über die Sprint-, Mittel- und olympische Distanz kann Alfi Caprez auf eine fast schon märchenhaft anmutende Saison zurückblicken. Zwar nicht vollends krönender, aber dennoch bemerkenswerter Abschluss derselben war der Vizeweltmeistertitel über die 70.3-Distanz im australischen Mooloolaba anfangs September. Caprez ist sich seiner Leistungen bewusst, daraus nur ungetrübte Freude ableiten mag er allerdings nicht. Denn Erfolg, so der Bubikoner, misst sich nicht ausschliesslich an der Rangierung.
Alfi Caprez, du bliebst in dieser Saison weitgehend ungeschlagen. Lässt sich angesichts der zahlreichen Erfolge im Rückblick überhaupt ein Saisonhöhepunkt ausmachen?
Einen einzelnen Höhepunkt hervorzuheben, fällt tatsächlich schwer. Angefangen hat das Jahr eher durchzogen, ich war gesundheitlich angeschlagen. Hinzu kamen über Jahre hinweg mitgetragene Probleme mit den Waden und den Achillessehnen. Letztes Jahr hatte ich deshalb entschieden, diese Saison zu pausieren und die chronischen Verletzungen ausheilen zu lassen – eigentlich. Als sich die Beine im Frühjahr wieder besser anfühlten, und spätestens als sich meine Partnerin für die Mitteldistanz-WM in Australien qualifizierte, sah es wieder anders aus. Da musste ich nachziehen. Der Lohn für die gelungene Qualifikation in Rapperswil, die Weltmeisterschaft in Mooloolaba, war grossartig. Nicht der Wettkampf alleine, sondern das Gesamterlebnis, die einwöchige Vorbereitung, die anschliessenden dreiwöchigen Ferien. Insofern war die WM in Australien mein Saisonhöhepunkt.
Du hast dir insgesamt sechs Titel geholt, als Saisonhöhepunkte bezeichnest du sie aber nicht.
Auch wenn ich im Vorfeld nicht damit gerechnet hatte, verlief die Saison tatsächlich äusserst erfolgreich. Zumindest was die Klassierungen angeht. Leistungsmässig befand ich mich hingegen nicht immer auf dem gewünschten Niveau. Allzu lange hatte ich mit Beschwerden zu kämpfen. Sind diese Titel also ein Zeichen des Erfolgs? Wenn ich das Jahr an den Rangierungen bemesse, ganz sicher, ja. Gesundheitlich aber, in Sachen Freude am Wettkampf – was für mich auch zum Erfolg zählt –, schwingt diese Saison nicht obenaus.
Woher rührt diese scheinbare Diskrepanz zwischen deinem rangmässigen Erfolg und deinem persönlichen Erfolgsempfinden?
Das Gefühl der Zufriedenheit, des Erfolgs stellte sich bei den Zieleinläufen nicht immer ein. Auch wenn ich einen Wettkampf gewann. Teilweise wäre die Freude grösser gewesen, als Dritter ins Ziel zu kommen, dafür im Wissen, einen optimalen Wettkampf geliefert und das Leistungsmaximum abgerufen zu haben. Es versteht sich, dass ich dies im grössten Respekt gegenüber meinen Konkurrenten sage. Diese Einstellung kann ungesund sein, dessen bin ich mir durchaus bewusst. Und mit etwas Abstand werde ich meiner eigenen Leistung, diesem nahezu perfekten Jahr, wohl deutlich mehr Wert zumessen können. In dieser Hinsicht muss ich lernen, die Freude am Triathlon etwas leistungsunabhängiger zu bemessen, den Moment als solchen zu geniessen.
Mit der Weltmeisterschaft in Mooloolaba hast du deinen letzten Wettkampf in diesem Jahr bestritten. Geht mit dem Saisonende jeweils auch ein gewisses Durchatmen einher, eine Erleichterung, sich kurz zurücklehnen zu können?
Ich würde mich als Wettkampftyp bezeichnen, der die Herausforderung, den Leistungskampf sucht. Dennoch bin ich jeweils froh, kann dieses Wettkampffieber zwischendurch ruhen. Das ist auch absolut nötig, um im Hinblick auf die nächste Saison die Motivation aufrecht erhalten und neuen Siegeswillen schöpfen zu können.
In Triathlonmagazinen und -foren wird eifrig diskutiert, wie das optimale Wintertraining aussieht. Was steht bei dir auf dem Plan für die kommenden kalten Monate?
Wenn ich nach einem Credo trainiere, dann wohl nach jenem der „Lust und Laune“. Einen Trainingsplan habe ich jedenfalls nicht aufgestellt. Einzig beim Schwimmtraining herrscht Regelmässigkeit, indem ich es mindestens dreimal wöchentlich im Schwimmclub absolviere. Ansonsten setze ich vorderhand auf das Prinzip der Freude am Bewegen, etwa mit Mountainbike-Touren in den Hügeln des Zürcher Oberlands. Und sobald der erste Schnee fällt, bin ich vor allem auf den Langlauf-Loipen anzutreffen. Das Ausweichen auf diese Alternativen hat sich bis anhin bewährt. Was ich diesen Winter vermehrt forcieren will, ist das Lauftraining. Während der letzten Jahre musste ich mich auf einen Lauf in der Woche beschränken, dieses Jahr will ich zusätzlich zwei bis drei Einheiten draufpacken.
Mit deiner Passion für das Langlaufen und Mountainbike scheinst du prädestiniert für den Wintertriathlon zu sein.
Diese Idee kam mir auch. Nur umgesetzt habe ich sie bisher noch nicht. Nicht zuletzt, weil es dazu wiederum des entsprechenden Equipments bedarf. Zudem hätte ich dann über das gesamte Jahr hinweg Wettkämpfe, was zwar schön, aber nicht nur von Vorteil ist. Ausschliessen will ich eine zukünftige Teilnahme jedoch nicht. Reizen würde es mich allemal.

„Mein Credo für das Wintertraining heisst Lust und Laune.“


„Bei der Konfession müsste ich eigentlich Triathlon angeben.“

Das Prinzip „Lust und Laune“ hört sich für einen Triathleten deines Leistungsniveaus vergleichsweise simpel an. Hast du immer danach trainiert?
Ein komplett durchgeplantes Winterprogramm hatte ich nie zur Hand, ich habe aber immer Schwerpunkte gesetzt. Diesen Winter liegt er auf dem Lauftraining, wohingegen ich früher vor allem das Schwimmen ausreizte. Heute zähle ich in meiner Alterskategorie klar zu den stärksten Athleten. Insofern hat sich das Setzen von Schwerpunkten gelohnt.
Seit über 30 Jahren bist du aktiver Triathlet. Um zu den Anfängen zurückzukehren, wie kamst du zum Sport?
In meiner Jugend war ich im Schwimmclub und nahm an Läufen teil. Als ich über die Medien auf den Triathlon aufmerksam wurde, dachte ich mir: Das passt, jetzt muss ich nur noch lernen, anständig Rad zu fahren. Und so bedächtig es begann, so rasch steigerte ich den Aufwand, wurde immer fanatischer. Bis ich schliesslich während Jahren jeweils drei Monate zu Trainingszwecken in San Diego verbrachte. Spätestens dort hat es mir den Ärmel komplett reingezogen. Mit Athleten wie Mark Allen, Greg Welch, Jürgen Zäck oder Wolfgang Dittrich zu trainieren, war grossartig. Unterdessen bin ich soweit, dass ich bei meiner Konfession „Triathlon“ angeben müsste.
Für einen „Amateur“ hört sich dies nach einem beträchtlichen Trainings- und vor allem Zeitaufwand an. Stand es jemals zur Debatte, alles auf die Karte Triathlon zu setzen?
Ich war damals bereits selbstständig. Andernfalls wären solche Trainingsaufenthalte kaum möglich gewesen. Ein Wechsel zu den Profis kam allerdings nie in Frage. Einerseits wegen des eigenen Geschäfts, andererseits wegen der finanziellen Unsicherheit. Rückblickend wäre es sicherlich interessant zu wissen, was mit einem Fokus nur auf dem Triathlon und mit besserem Material drin gelegen wäre. Meine Ironman-Bestzeit von 8:43 Stunden habe ich aus dem Berufsleben heraus aufgestellt. Ich glaube, da wäre noch Luft nach oben gewesen.
Als selbstständiger Bauunternehmer bist du auch abseits des Sports stark gefordert. Wo liegt die Herausforderung, Triathlon auf hohem Niveau zu betreiben und daneben berufstätig zu sein?
Bei meiner Arbeit lässt sich oft nicht voraussagen, wann wie viele Aufträge reinkommen. Entsprechend unterschiedlich sind dann auch die Trainingsumfänge, was nicht unbedingt von Vorteil ist. Ob fünf oder zwanzig Stunden pro Woche in das Training investiert werden können, macht einen beträchtlichen Unterschied. Auch die Koordination von Arbeit, Training, Familie und Erholung ist herausfordernd. Findet man hier nicht die richtige Balance, kann ein ungutes Gemenge resultieren. Ich kenne die mehrseitigen Belastungen unterdessen gut genug, um meine Präferenzen zu setzen. Diesen Prozess muss wohl jede Athletin und jeder Athlet durchlaufen. Tut sie oder er es nicht, macht sich die fehlende Erholung über kurz oder lang schonungslos bemerkbar. Körperlich, und erst recht in den Resultaten. Insgesamt überwiegt aber das Positive des Sports. Sobald ich mich längere Zeit nicht sportlich betätige, fehlt mir etwas. Darum bedeutet Triathlon für mich persönlich auch Lebensqualität.
Wenn die Winterpause eine Brücke zwischen der alten und der neuen Saison ist, wohin soll sie dich führen?
Fix eingeplant sind die Europameisterschaft in Kitzbühel und die Weltmeisterschaft in Rotterdam. Welche Wettkämpfe hinzu kommen, werde ich eher kurzfristig entscheiden. Der Ironman in Zürich und das Rennen in Rapperswil sind dabei Möglichkeiten, die ich mir offen halte. Und dann gibt es noch Hawaii. Auch nach sechs Teilnahmen, die in erster Linie mit Leiden verbunden waren, hat Hawaii immer noch eine Anziehungskraft. Den Ironman auf Kona mit 60 Jahren zu absolvieren – das wäre ein Traum.
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