Von Jörg Greb, Rio de Janeiro
Was Alistair Brownlee bei den Männern vor zwei Tagen zu einer herauszustreichenden Premiere genutzt hat, gelang Nicola Spirig nicht: den Olympiasieg im Triathlon zu wiederholen. Bis 1:50 Stunden kämpfe sie zwar um Gold mit, nach rund 8 km der Laufstrecke musste sie aber der letzten Widersacherin, der Amerikanerin Gwen
Joergensen den Vortritt lassen
Doch als Niederlage empfand die 34-jährige Zürcherin diesen entscheidenden Augenblick nicht. Vielmehr betonte sie: „Ich bin mit dieser Silbermedaille überglücklich.“ Ihr Glück nach der Ziellinie beschrieb sie als „grösser, denn vor vier Jahren in London“. Erklärt sieht sie dieses Empfinden durch das, was in der Zwischenzeit alles passiert ist: die Geburt von Sohn Yannis, die Heirat, das sportliche Weiterkommen als Sportlerin, etwa indem sie sich unter die Leichtathletinnen begab und sich bei diesen für die Heim-Europameisterschaften in Zürich im Marathonlauf qualifizierte oder indem sie den Handbruch Anfang März, seit dem sie 3 Metallplatten und 23 Schrauben in sich mitträgt, gemeistert hat und einen erstaunlichen, unkonventionellen Weg nach Rio gegangen ist. „Ich bin stolz, und ich bin auch die bessere Athletin geworden“, sagte sie, „aber heute war eine besser, und Gwen hat diesen Triumph verdient.“, sagte sie.
Aktives Rennen
Angetreten war Spirig mit dem Anspruch, das Optimum am Tag X anzusteuern. Das hat sie umgesetzt. Die anfänglichen 1,5 km Schwimmen bewältigte sie als 24. – in Tuchfühlung mit den Besten. Aus dem Bewusstsein streichen konnte sie somit Rennszenarien, die sie als sehr anspruchsvoll betrachtet hätte. Etwa eine Aufholjagd auf eine Spitzengruppe mit den besten Schwimmerinnen und Medaillenkandidatinnen wie Flora Duffy (BER) oder Helen Jenkins (GBR). „Meine riesigen Investitionen ins Schwimmen machten sich bezahlt“, sagte sie.
Auf den acht Velorunden war Spirig die dominierende Athletin. Stets in den drei Toppositionen fuhr sie. Immer wieder lancierte sie Attacken. Unterstützt wurde sie allerdings von niemandem, so dass sich das Aufsplitten der 18-köpfigen Spitzengruppe nicht ergab. „Was mir aber gelang ist, dass ich alle müde fuhr“, zeigte sie sich dennoch zufrieden mit dem Verlauf auf den 40 Velokilometern.
„Führ nur du“
Bestätigt sah sie sich auf der Laufstrecke sofort. Bereits nach 500 m hatte sie sich zusammen mit Joergensen gelöst. Früh bestanden keine Zweifel mehr, dass die Olympiasiegerin aus diesem hochkarätigen Duo kommen würde. Und Spirig glaubte an ihre Möglichkeit, obwohl sie wusste: „Gwen ist Triathletin wie Läuferin, gegen sie habe ich eigentlich keine Chance.“ Die mentale Komponente versuchte sie auszuspielen. „Führ du nur im Gegenwind“, sagte sie zu ihr, „ich habe schon eine Olympia-Goldmedaille.“ Gebracht hat dieser Schachzug indes wenig. Den Schlussangriff der Amerikanerin vermochte sie nicht zu kontern.
Annen überwältigt
Mit einem Strahlen und einer Geste grösster Freude überquerte Spirig die Zielline. Ebenso tat es die zweite Schweizerin, die Urnerin Jolanda Annen. Die 24-jährige Urnerin lief als 14. Ein. „Grossartig, sensationell“, freute sie sich, „alles aus dem Tag herausholen, ist mir gelungen.“ Mit der Absicht einer Rangierung in den besten 25 ist sie angetreten. Dass es derart gut herauskommen könnte, hätte sie im Vorfeld nie zu hoffen gedacht. „Am Limit“ ist sie losgeschwommen, kam so aus dem Wasser, dass sie gerade auch noch in der Spitzengruppe Unterschlupf fand und in dieser hielt sie sich, auch wenn sie ihre Grenzen antasten musste. Trotzdem gelang es ihr, anschliessend ihre läuferischen Fortschritte unter Beweis zu stellen und sich sukzessive weiter zu verbessern. „Ein solches Erlebnis ist beste Motivation“, sagt sie.